Unsere Freunde Liselotte und Heinz wollten im Jahr 1983 eine Studienreise durch Norwegen antreten, hatten aber nicht den Mut allein zu reisen. Als sie uns dann die Frage stellten ob wir sie nicht begleiten wollten, antworteten wir direkt mit ja. So kam es dass wir Mitte Juni 1983 auf der Autobahn in Richtung Dänemark unterwegs waren.
Lieselotte hatte diese Reise geplant, ich lasse von Natur her alles gerne auf mich zukommen und machte mir darüber keine Gedanken. Mit unserem Mecky, einem selbst ausgebauten 207 D von Mercedes fuhr ich vor Heinz seinem Campinggespann in Richtung Norden. Eigentlich war unsere Autobahn vor achtundzwanzig Jahren noch eine schwach befahrene Straße, und wir kamen zügig voran.
Nach wohl vier Stunden Fahrzeit, wir standen auf einem Parkplatz, stellten wir fest dass das fahren auf der Autobahn stink langweilig ist.
Bis zur geplanten Fähre, der Vogelfluglinie, hatten wir erst die halbe Strecke geschaft. So kam mir der Gedanke dass wir auch mit der Fähre von Kiel, in 20 Stunden bis Oslo fahren können. Nach Fahrplan musste von Kiel eine Fähre in etwa 2 Stunden ablegen.
Dann ging alles ganz schnell. Nach einem Anruf bei der Fähre hatten wir zwei Kabinen erster Klasse gebucht. Auch der Platz für unsere Fahrzeuge war reserviert, und wir mussten uns nur noch beeilen weil man nicht lange auf uns warten könnte. Als wir den Fähranleger erreicht hatten wartete man tatsächlich an der Auffahr-Rampe auf uns und nach der Auffahrt legte das Schiff direkt ab.
Nach dem wir unsere Luxuskabinen inspiziert hatten, trafen wir uns beim Dinner wieder, und erst da wurde uns bewusst wie unüberlegt wir uns diesen ungeplanten Luxus erlaubten. Eine Norwegenreise war Anfang der achtziger Jahre ohnehin nicht gerade als preisgünstig verschrieen, aber jetzt begannen wir die Studienreise welche unsere Freundin Lieselotte ausgearbeitet hatte wirklich auf höchstem Niveau.
Das Wetter spielte mit wie für uns bestellt, und nach wenigen Stunden Schlaf in unseren Luxuskabinen, standen wir am anderen Morgen nur noch staunend an Deck. Ich weiß nicht mehr wie lange es dauerte, aber in meiner Erinnerung war es ein stundenlanges vorbei Gleiten an kleinen Schereninseln, welche im Morgenlicht in den schönsten Farben erstrahlten. Es war der erste Eindruck von Norwegen, ehe wir noch den Fährhafen in Oslo erreichten. Nach Liselottes Reiseplan, der uns durch Dänemark und Südschweden nach Oslo führen sollte, hätten wir dieses Schauspiel nicht erleben können.
In Oslo stellten wir unsere Caravans auf einem Campingplatz ab, um von da aus in den vollgenden drei Tagen die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besuchen. Obwohl ich mich selbst als Kulturbanause bezeichne der gerne um jede Stadt einen großen Bogen macht, begeisterte ich mich unter anderem für das Kon-Tiki-Museum, in dem ja nicht nur Thor Heyerdals Holzfloß ausgestellt ist. Auch brauchte ich zwei Stunden um das Polarschiff „Fram“ welches Roald Amundsen für seine Südpolexpedition 1910 bis 1912 benutzte genau zu besichtigen. Alles andere war schön, aber mit meinen Gedanken und meiner Neugier war ich schon viel weiter im Norden.
Bei dieser ersten Reise durch Norwegen waren alle meine Eindrücke nur gewaltig. Die Straße (E-6) auf der wir jetzt in Rrichtung Norden unterwegs waren animierte ununterbrochen zum stehen bleiben und kuken.
Je weiter nördlich man sich bewegte, verlief in den achtziger Jahren die Wegführung ja noch so wie die Natur sie vorgab. Riesige Wasserfälle welche rechts und links aus den Bergen herunter schossen, spritzten oft wie Regengüsse über die
Straße. Aus den von der Sonne erwärmten grünen Tälern, kam man auf den Hochebenen durch dicke Schneewände. Das war die Natur die mich begeisterte, und obwohl ich noch garnicht viel vom Land gesehen hatte war ich in dem Moment vom Norwegen-Virus befallen. Das war mein Land. Meine Natur. Hier musste ich immer wieder hin. Die Strecken die wir bis hierhin zurück gelegt hatten verliefen alle über normale Aspaltstraßen mit sehr geringem Verkehrsaufkommen. Je weiter wir uns nach Norden hin bewegten verwandelte sich die alte E6-Europastraße allerdings immer mehr in eine Schotterpiste, welche ab Mo i Rana auch oft in einen einspurigen Weg mit Ausweichstellen überging.
Derjenige der an einer solchen Ausweichstelle vorbei kam und gleichzeitig ein entgegenkommendes Fahrzeug erblicken konnte, musste hier warten. Sonst durfte er später rückwerts fahren.
Auch am Polarzirkel, auf dem im Jahr 1983 nur ein drei meter hoher behauener Stein mit einer aus Stahlgeflecht gformten Erdkugel hinwies, führte dieser Schotterweg vorbei.
So wie man es auf diesem alten Foto sehen kann,konnten wir auch in den Hochsommerwochen immer wieder warme Kleidung vertragen. Richtig ungemütlich wurde es dann aber erst ein paar Tage später auf der Fähre von Skutvik nach Svolvær auf die Lofoten. Während dem einschiffen zeigte der Himmel sich noch recht freundlich und es war richtig windstill. Bis wir dann mit unseren Freunden im Inneren der Fähre am Tisch saßen, begann das Schiff zu tanzen wie ein Schaukelpferd. So ein plötzlicher Wetterumschwung war auch für mich ein absolutes AHA-Erlebnis. Im Gegensatz zu Waltraud und zu unseren Freunden verhielt mein Magen sich aber absolut ruhig und ich genoß das Ganze als ein richtiges Erlebnis.
Nach dem ausschiffen konnten wir uns nicht sehr weit vom Fähranleger auf einen freien Platz stellen. Es stürmte und schüttete wie aus Eimern. Waltraud und ich sahen aus dem Fenster bis wir vor Müdigkeit in unsere Schlafsäcke krochen und bis zum anderen Morgen fest und ruhig schliefen. Der Wind hatte sich gelegt, die Regenwolken hatten sich verzogen, aber als ich aus dem Fenster sah konnte ich den Wohnwagen unserer Freunde nicht mehr sehen. Erst als ich aus dem Wagen stieg winkten sie mir vom Fahrweg aus zu. Sie konnten nicht verstehen wie wir bei so einem Unwetter schlafen konnten, und wollten nur noch ganz schnell, nicht nur von dieser „fürchterlichen Insel“, sondern auch auf einem geraden Weg in Richtung Schweden.
Waltraud und ich, wir blieben dann drei Tage bei herrlichem Sonnenschein auf den Lofoten, bevor wir uns auf einem verabredeten Platz an der schwedischen Grenze wieder mit unseren Freunden trafen. Am nächsten Morgen packte mich ein gewaltiges nordisches Fieber. Ich konnte nicht nach Schweden einreisen. Ich hatte mein Paradies in Norwegen gefunden. Ein Paradies, welches ich in folgenden achtundzwanzig Jahren mit meiner Waltraud, in ganz Nordskandinavien immer wieder neu erlebt habe.
Begegnung am Straßenrand in äußerst seltener Farbmischung,
und ein paar Einwohner aus dem Polargebiet
Hallo Luckner,
auch ich habe mich so gefühlt, wie Sie es beschrieben haben, als ich das erste Mal mit der Fähre in Oslo eingefahren bin. Dieses ist mein Land!!
Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in Norwegen und vielleicht trifft man sich dort einmal.