In meinem Alter muss ich nicht mehr so sehr nach vorne schauen. Wohl darum, kehrte meine erlebnisreiche Vergangenheit in meine Gedanken zurück.
Eine Vergangenheit, welche mir in meinem zehnten Lebensjahr die Heimat und die Geborgenheit in einer Familie nahm und meine Kindheit zerstörte. Eine Vergangenheit welche unabänderlich mein ganzes Leben bestimmen sollte. Die mich aber auch durch mein Überleben in einem Kriegsgebiet stark machte. Eine Vergangenheit die dann bis in mein jetziges hohes Alter von mir verdrängt wurde, nun aber an die Oberfläche kommt.
Meine ersten elf Lebensjahre herrschte ich als Kronprinz in dem großen Haus meiner Oma und deren vier Töchtern,
bis Adolf Hitler in seinem Kriegsgeschehen die Stadt Breslau zur Festung erklärte. Mein Leben als Kronprinz war von einem auf den anderen Tag vorbei. Aber nicht nur das.
Nach Kriegsende, und der Besetzung der deutschen Ostgebiete durch die russische und polnische Wehrmacht, durften die deutschen Frauen sich nicht mehr auf der Straße sehen lassen und die Männer waren in Gefangenschaft. Ich in dem Alter von zwölf Jahren, wurde wenn ich keinem zu nahe trat kaum beachtet.
Das öffentliche Leben war total zerstört. Es gab einfach nichts. Das russische und polnische Militär verwaltete und verbrauchte die verbliebenen Bestände. Die deutsche Bevölkerung musste von dem leben was sie in den Trümmern fand. Wobei die Frauen sich von der Straße fernhalten mussten.
Ich als unscheinbarer kleiner Junge wurde sehr schnell zum Organisator und konnte Dinge erreichen die den Erwachsenen einfach verwehrt blieben. Ich kannte Wege und Schlupflöcher welche mich in die verschlossene Zuckerfabrik und das Dominium führten. Recht und Unrecht, diese beiden Begriffe gab es in dieser Zeit nicht. Das einzige was etwas galt war das Überleben. Nach dem ich dann in dieser Zeit sogar eine schwere Typhus Erkrankung überstand, wurde ich aus meinem Elternhaus ausgewiesen, und in einem Güterwagon nach Westdeutschland verfrachtet. Das sollte meine neue Heimat sein.
Diese neue Heimat im ländlichen Münsterland war zwar nicht durch Bomben zerstört worden, aber die Lebensbedingungen reichten für die meisten Menschen auch gerade zum Überleben. Alle Grundnahrungsmittel waren vom Staat rationiert.
Ich hatte bis jetzt in meinem vierzehnten Lebensjahr gerade mal über fünf Jahre eine Volksschule besucht, wurde aber mit einem Zeugnis der achten Klasse in die Welt entlassen. Nur weil ich nicht der Einzige war der unter diesen Bedingungen in die Welt entlassen wurde fand ich sogar eine Lehrstelle im Malerhandwerk.
Sehr früh habe ich eine Familie gegründet. Habe sehr hart gearbeitet, und mit der Hilfe meiner Frau, auch den Meistertitel im Malerhandwerk erworben. Nach weiteren Fortbildungslehrgängen, ging es meiner bis dahin sechsköpfigen Familie dann auch richtig gut. Bis ich in der zweiten Lebenshälfte ganz plötzlich mit massiven seelischen Störungen zu kämpfen hatte. Erst da begann ich meine Vergangenheit wieder auszugraben.
Um nur darüber nachzudenken, erwies sich aber die Ausgrabungsstätte mit ihrem Dimensionahlen Umfang als zu groß. Es sollte alles schriftlich festgehalten werden. So entstand der Gedanke, alles in einem Buch zu erfassen.
Mir viel ein wie vor über zwanzig Jahren, in der Firma für die ich als Fachberater im Aussendienst tätig war, die ersten Laptops eingesetzt werden sollten. Zu der Zeit stand aber schon fest, dass ich vorzeitig aus der Firma ausscheiden werde. Ich war glücklich das ich mit so einem Ding nicht mehr arbeiten musste.
Im Jahr 2009 recherchierte ich dann, das ich nur mit so einem Ding eine problemlose Buchdatei erstellen kann. Ich kaufte mir einen Laptop, fing anhand eines Lehrbuchs an dieses Ding zu bedienen, und im April 2011 lag mein gebundenes Buch vor mir auf dem Schreibtisch. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ja nur daran gearbeitet und geschrieben. Aber nun habe ich es selbst gelesen. Es wirkte auf mich nicht nur spannend, sondern auch umfangreich. Erkennen musste ich aber, dass man auch in einem dicken Buch nur einen Teil der Erinnerungen und Erlebnisse aus acht Jahrzehnten unterbringen kann. Ich möchte daher in der nächsten Zeit immer wieder interessante Erinnerungen aus selbst erlebtem auf meinen Seiten vorstellen. Meine Aussage, „Auf holprigen Wegen vergangener acht Jahrzehnte“ kann damit nur gefestigt werden. Das Wort “ Fast „ in dem Titel, würde dann aber immer überflüssiger.
Aber mein Buchtitel lautet ja nun mal „Fast ein ganzes Menschenleben“.
Erlebtes aus dem Jahr 2003
Bei uns lief in dem Jahr nicht alles so wie man es sich wünschte. Waltraud hatte ganz plötzlich sehr starke Schmerzen unter der Bauchdecke, so dass unser Hausarzt zu uns kommen musste. Danach ging alles sehr schnell. Krankenhaus, ein paar Stunden Operationsaal, ein paar Tage Intensivstation und ein Darmausgang an der Bauchdecke, der aber auch wieder zurück gelegt werden sollte.
Am 15. August waren wir 50 Jahre verheiratet. Sicherlich ein Grund zum feiern. Der Termin für diese Feier war zwar von vorn herein für die Wintermonate geplant, weil wir im August, in der norwegischen Finnmark unser Lapplandfieber flegen wollten. Ausserdem sollten ja unsere geladenen Gäste auch alle dabei sein, ohne auf ihren Sommerurlaub zu verzichten.
Die Operationen an Waltraud waren gut verlaufen, aber die Wunden brauchten noch ihre Zeit um zu verheilen, und von einer Caravan-Reise war noch abzuraten.
Mein ältester Enkelsohn Florian,feierte in dem Jahr seinen fünfzehnten Geburtstag, und so fuhren wir beide für fünf Wochen alleine nach Norwegen, bis auf die Insel Senja und an den Lavangen-Fjord. Florian machte sich bekannt mit meinen norwegischen Freunden, die ihn mit zum Lachsfischen nahmen. Nach einigen Stunden kam Florian mit seinem selbst erbeuteten Wildlachs zurück zu unserem Caravan.
Ein paar Tage später mußte der Junge wieder zurück zur Schuhle und ich brachte ihn am fünfzehnten August zur Fähre nach Trelleborg. Nach dem ich mich in der Fähre von ihm verabschiedet hatte, kam mir vom anderen Anleger meine Waltraud schon entgegen.
So enstehen Glücksgefühle die einmalig sind. Waltraud sah wirklich blühend aus, so das man ihre beiden schweren Operationen fast vergessen konnte. An diesem Nachmittag fuhren wir nur noch auf dem kürzesten Weg an die norwegische Grenze in Richtung Oslo. Da fanden wir einen See mit glasklarem Wasser in dem wir eine lange Zeit schwammen, bevor wir mit einem Glas Campangner auf unsere goldene Hochzeit anstießen. Ein Erlebnis wie es nur einmal im Leben vorkommen kann. Für mich jedenfals bleibt es unvergesslich. Auch wenn die anschließende Feier mit unseren Freunden, im Februar 2004 unheimlich Toll war, bleibt der Abend am See meine schönste Erinnerung in Verbindung zu unserem fünfzigsten Hochzeitstag.
Zehn Jahre später: Am fünfzehnten August 2013 stehen wir mit unserem Wohnwagen auf der Insel Muonionalusta und stoßen auf unseren sechzigsten Hochzeitstag an. Wir waren noch einmal für mehr als drei Monate ohne Zeitplan unterwegs auf Lapplandtour. Aber an diesem Tag wollte ich gerne auf dieser Insel sein. Unter dem Namen „RAJAMAA“ betreibt dort Lars Malmström eine kleine Anlage für Touristen. Es gibt ein paar kleine Hütten, und ein paar Plätze für Camper. Als ich uns anmeldete, sagte ich, das wir am nächsten Tag sechzig Jahre verheiratet sind und gerne irgendwo gut Essen möchten. Das könnt ihr bei mir, war seine Antwort. Für morgen habe ich Lammbraten geplant. Um neunzehn Uhr wird aufgetischt. Der Lammbraten war einfach köstlich, und eine zusätzliche Überraschung gab es auch noch. Seine Frau brachte als Geschenk, eine Torte mit lappländischen Früchten auf den Tisch. Ihr Mann sprach ein paar Worte zur Gratulation, und meine Frau lud die anwesenden Gäste auch zum Torte essen ein.
Lieber Harry,sei gegrüßt.Und wie ich hoffe bei bester Gesundheit.
Ich weiß nicht warum,aber aus meiner Facebookliste bist Du verschwunden.Vielleicht kannst Du mir ja eine Freundschaftsanfrage schicken. Deine Seiten hier gefallen mir immer wieder sehr.
LG Roswitha
Hallo Harry Luckner,
bin gerade über das FliFi-Forum auf Deine Seite gekommen. Erst einmal Hut ab zu Deiner Seite und Deinem erlebnissreichen Leben. Danke auch das wir an einen paar Auschnitten daraus teilhaben dürfen.
Mach weiter so
Gruss
Frank
Servus Harry,
Deine Erfahrungen ist eines der vielen Schicksale, die unser Volk durch Krieg und Niederlage erleiden musste. Dein Schicksal berührt mich sehr und zeigt, dass unser Leid und unser Schmerz in den letzten Jahrzehnten einfach unter den Tisch gekehrt worden ist und die deutsche Gesellschaft sich gerne ihrer Schuld erinnert, aber an das eigene Leid und die erlebte Brutalität seitens der Siegermächte irgendwie blind, taub und anteilnahmslos ist. Ich mache hier lieber Schluss, sonst schreibe ich mir noch in Rage.
Wünsche Dir auf diesen Wege noch ein frohes Leben und vorallem noch schöne Stunden mit der Fliegenrute
Petri Heil